Wir sind ein lebendiger Fasnetsverein, der sich mit Herzblut der Pflege und dem Erhalt des traditionellen Brauchtums verschrieben hat. 

Chronik

Die geizige Müllerin

(Quelle: Buch – Sagen, Anekdoten u. Geschichtenerzählungen aus dem LRK Neu-Ulm)

Am Abfluss des Nordholzer Weihers liegt seit alten Zeiten eine Mühle. Früher hieß sie Herrenmühle, weil dort die Schlossherren von Nordholz ihr Getreide mahlen ließen.

Unsagbar schwere Zeiten hat die Mühle überstanden. Eigene und fremde Truppen requierten dort zum wiederholten Male in brutalster Weise. Bald war kein Stück Vieh mehr im Stall. Die Mehlsäcke lagen, soweit sie noch nicht weggenommen worden waren, leer und von Spinnweben überzogen am Boden. Das Mühlrad stand still und verfiel.

Doch auf magere Jahre kamen auch wieder bessere Zeiten. Das trauliche Plätschern der Radschaufeln war wieder Tag und Nacht zu hören. Der Müller war besorgt, dass die Mehlgänge gefüllt waren. Sein Fleiß machte sich zusehends bemerkbar. Die Mühle stand wieder stattlich da und bot mit ihren hellblauen Fensterläden einen freundlichen Anblick. Die Müllerin sorgte für den Blumenschmuck an den Fenstern und im Vorgärtlein. Bei ihr wurde gern Einkehr gehalten. Die geräumige Stub´mit ihren Sand gescheuerten Ahornbänken und dem mächtigen Tisch im Herrgottswinkel luden zu einem Schwätzchen ein. Die Kreuzigungsgruppe in der Ecke lenkte den Blick eines jeden Besuchers auf sich. Das kunstvoll geschnitzte Kreuz und die flankierenden Statuen von Mutter Maria und dem Jünger Johannes wurden viel bewundert. Die Müllerin hochbeglückt, dass ihr der heimische Herrgottsschnitzer Christoph Rodt die Nachbildung der Kreuzigungsgruppe in der Klosterkirche Roggenburg verehrt hatte. Unsere alte Müllerin war eine Hausfrau und Mutter, wie man sie sich nicht besser wünschen könnte. Ihre Gastfreundschaft und Geberfreudigkeit waren weit und breit bekannt. Der Brotlaib mit dem hölzernen Salzfässlein und dem Messer daneben lag für jeden Gast auf dem Tisch. Für Bettler hatte sie ein mitfühlendes Herz. Auf den Klopfertag freuten sich die Kinder des ganzen Dorfes. Körbe voll zuckriger Ringlein, Herzchen und Ausstecherle warteten in der Mühle auf die kleinen Besucher. Ohne Unterschied wurden alle Klopfer reichlich beschenkt.

Auch der Klausner Arnik war ein gern gesehener Gast. Die Müllerin versorgte den frommen Bruder mit dem Allernötigsten. Nicht selten sah man ihren Jüngsten, den Franzl, mit einem schweren Korb auf dem Wege zum Schlossberg. Seit Arnik tot ist, blieb dem Buben dieser Liebesdienst erspart.

Viel zu früh starb die alte Müllerin. Mit dem Einzug der jungen Schwiegertochter änderten sich die Verhältnisse auf dem Hof schlagartig. Die neue Herrin wollte ,,hausen´´, merkte aber nicht, dass sie vom Geizteufel besessen war. Barsch wies sie den Bettlern die Tür und rief ihnen nicht selten harte Worte hinterher.

Nach einem solchen ihr unerwünschten Besuch schnitt die Müllerin ein Stück Brot ab. Statt dies dem Hungrigen zu reichen, legte sie es in die Tischschublade. Sie wollte sehen, was sie auf diese Weise im Laufe eines Monats an Brot einsparen würde. Zusehends füllte sich die Lade. Ihr Herz lachte im Stillen, so oft sie am Tisch vorbei kam und freute sich auf den Tag, an dem sie dem jungen Müller ihren Sparsinn offenbaren könnte.

Die Bettler mieden die Mühle, aber auch den Bauern bleib das Gebaren der Müllerin nicht verborgen. Sie nahmen lieber den weiten Weg zur nächsten Mühle in Kauf, als dem Geizhals in der Mühle zu begegnen. Von Woche zu Woche ging das Müllergeschäft zu Nordholz schlechter. Die besten und zuverlässigsten Kunden blieben aus. Wieder einmal klopfte es ganz zaghaft an der Müllers Tür. Draußen stand eine arme Frau mit ihren drei Kindern. Das jüngste trug sie auf dem Arm. Die Größeren hielten sich – eins links, eins rechts – am Rockzipfel der Mutter fest. Ein Anblick zum Gotterbarm! Die hartherzige Müllerin jagte die Bettlerin mit unflätigen Worten von ihrer Schwelle. Hernach schnitt sie vier Stücklein Brot vom Leib. Schon öffnete sie die Schublade, um die Brote zu den anderen zu legen. Doch welches Entsetzen! Statt der Brote sah die Müllerin Kröten in der Lade. Kurz entschlossen wollte sich die Müllerin mit Kehrschaufel und Besen der Kröten erwehren. Je mehr sie doch vernichtete und zur Küche hinauswarf, desto mehr tauchten auf. Bald war in der Mühle keine Stelle mehr, in das die ekelhaften Tiere nicht hingefunden hätten. Auch vor der Schwelle des Hauses machten sie nicht halt. Sie zogen ins Freie und wohin die Nordholzer schauten: nichts als Kröten. Kröten auf den Straßen und in den Gärten, Kröten in Haus und Keller! Kröten überall! Diese Plage wurde mit dem Geiz der jungen Müllerin in Verbindung gebracht. Das Geschmeiß kam ja von der Mühle her! In der Küche wurde die Müllerin von einem furchtbaren Schrecken erfasst. Mit einem grellen Schrei fiel sie ohnmächtig zu Boden. Der Müller und das Gesinde fanden die bewusstlose Frau mitten unter den Kröten auf dem Pflaster liegen.

Wochenlang fieberte die Müllerin. Die Kröten erschienen ihr im Traum. Herzzerreißende Schreie stieß sie aus und ließen das ganze Haus erschauern. Schweißtriefend lag die Kranke nach einer solchen Nacht im Bett. ,,Würde nur unser Klausner Arnik noch leben! Der hätte bestimmt ein Heiltränklein für unsere Frau gehabt´´ meinte die Magd. In Ihrem trostlosen Zustand sah unsere Müllerin das schaurige Ereignis als einen Fingerzeig Gottes an. Tiefe Reue empfand sie. In einer der schlaflosen Nächte machte sie ein Gelübte: ,,Wenn ich wieder gesund werde, will ich alles wieder versuchen gut zu machen. Mein erster Gang soll zum Kreuz des heiligmäßigen Arnik sein. Gleich am nächsten Morgen werde ich den Müller zum Wachszieher nach Tissen schicken. Eine Sühnekerze, so dick wie die Osterkerze in der Kirche zu Rennertshofen, will ich der schmerzhaften Muttergottes opfern. Jeden Tag werde ich sie selber anzünden.´´ Schon in dem frommen Gedanken fand unsere Müllerin eine Erleichterung. Zusehends ging es ihr besser. Endlich war es soweit, dass die Büßerin das Haus verlassen durfte. Ihrem Gelübte kam sie getreulich nach. Die Armen wurden wieder wie in Zeiten der alten Müllerin unterstützt, die Kinder beschenkt und die Besucher freundlich empfangen. Die Mühle erhielt rasch wieder ihren alten guten Ruf und den Zulauf der Bauern. Das Glück kehrte ein. Das alte Müllergeschlecht ist längst ausgestorben. Beim alljährlichen Krötenzug in Nordholz kommt die Begebenheit in der Mühle wieder in Erinnerung. Die Mühle blieb von einer weiteren Krötenplage verschont.